Samstag, 3. April 2021

Pascal Mercier, Nachtzug nach Lissabon

2004 erschienen. Und nun erst gelesen. Das passiert  mir öfter, dass ich Bücher nach Jahren im Regal lese.

Hier nun mit der Besonderheit, dass es sich nicht um ein Buch im Regal handelt, sondern um ein ebook.

Und der Besonderheit, dass ich dieses Buch eigentlich nie lesen wollte.

Zu sehr erschien mir dieser Roman in seinem Konstrukt gekünstelt, unglaubwürdig und ja, irgendwie an den Haaren herbeigezogen. Aber die Beschäftigung mit Fernando Pessoa und ein Besuch in Lissabon, ließ mich anders entscheiden.

Dieser Roman war ein riesiger Erfolg beim Publikum, wurde verfilmt mit Starbesetzung, weitere Gründe von einer Lektüre abzusehen.

Aber, man kann irren. Der allergrößte Wurf ist er nicht, dennoch muss man anerkennen, dass der Roman eine eigentümliche Stimmung erzeugt. Über die Geschichte ist genug rauf und runter geschrieben worden, daher spare ich mir weitere Ausführungen. Was ihr allerdings gelingt ist, ist Fesselung des Lesers. Sie erzeugt einen Sog, einen Wunsch weiter zu lesen. Die Sprache, die Beschreibungen Lissabons, alles durchaus gelungen. Nicht immer auf den Punkt gebracht, man bemerkt Merciers Profession, auf jeden Fall nicht langweilig.

Es entsteht kein großer Roman, jedoch eine erzählte Geschichte, die trotz meiner Vorbehalte lohnenswert war!

Samstag, 25. März 2017

Peter O. Chotjewitz; Der dreißigjährige Friede

Peter O. Chotjewitz, 2010 verstorben, war wohl ein Schriftsteller mit einem, auch in der Menge, beachtlichen Werk. Insbesondere war er ein genauer und kritischer Beobachter der bundesrepublikanischen Wirklichkeit nach 1945. Also der Zeit, die in der Tat, betrachtet man die nähere Nachkriegszeit, ab und an verklärt dargestellt wird. Chotjewitz war dabei nicht nur Betrachter, Begleiter sondern, aufgrund seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt auch Protagonist. Dieses besonders in den 68er Tagen und danach. Darüberhinaus war er gewerkschaftlich engagiert.
"Der dreißigjährige Frieden" ist dann auch eines der Bücher, die ihren politischen Hintergrund, ihre politischen Motivationen auch kaum verleugnen. Diese Bücher verlieren dadurch natürlich eigentlich ihre Strahlkraft, andererseits sind sie historisch schon irgendwo interessant.
Die Geschichte Jürgen Schütrumpfs, geb. 1945, wird erzählt. Ca. bis 1976. Eine Jugend im Nachkriegsdeutschhland. Schulische Ausbildung, ja nicht zu viel, der väterliche Betrieb ruft. So richtig will er das nicht! Aber er  muss, immer wieder Ausbruchsversuche. Erste Annäherungen an Frauen, das im verklemmten Deutschland der 50/60er Jahre! Entsprechend sind die Erfolge. Dann eine gewisse Radikalisierung durch die Arbeit und das Kennenlernen einer italienischen, genauer sardischen Frau. Ein ganz anderes Leben trifft ihn, aber letztendlich auch hier Scheitern. Eindrücklich geschildert wird das Siechtum des Vaters, schwerer Alkoholiker, dagegen steht die Mutter, die aufblüht ein neues Leben anfängt.
All das eingeteilt auch in kurzen Kapitel, dadurch sehr gut lesbar, schildert Deutschland im kleinen. Aber daraus den Schluß auf das große ganze zu ziehen? Schwierig, aber da ist der Mief, die Kleingeistigkeit dieses Deutschlands. Vorzüglich dargestellt. Peter O. Chotjewitz ist, trotz aller Mängel, die seine Bücher auch haben, zB die sehr zeitgebundene Sprache, ein hervorragender Chronist  in Deutschland nach 1945. Ich bin beinahe geneigt zu sagen, er fehlt.

Samstag, 11. März 2017

In eigener Sache

In eigener Sache. Am 18.03. Erscheint im homunculus Verlag ein Buch über das Lesen. Warum lese ich? Wie bin ich zum lesen gekommen? Was hat mich lesetechnisch geprägt?

Auch ich habe einen kurzen Text dazu beigetragen. Einen Text, der eigentlich eine Skizze ist. Allzu lange Texte sind in der letzten Zeit nicht so mein Ding!

Hier einige links zum Buch:warum_ich_lese

                                                 warum_ich_lese


Auf facebook findet sich auch einiges weiteres!

Sonntag, 26. Februar 2017

Michel Houllebecq, Unterwerfung

Michel Houllebecq. Für die einen der ewige Pornograph, für die anderen, ja was. Keine so richtige Einordnung möglich. Provokateur, Bestseller-Autor und ......
Ich mache für mich keinen Hehl daraus, einer der führenden Schriftsteller in Europa in den jetzigen, schwierigen Zeiten. Schon "Karte und Gebiet"  war eine einfühlsame Geschichte, die so von diesem misanthropischen Zeitgenossen kaum zu erwarten war.
Wen wunderts dann, dass dann ein paar Jahre später, mitten in die islamistische Krise Europas hinein, sein neuer Roman "Unterwerfung" erscheint. Dieses verbunden mit allen denkbaren Schwierigkeiten, aber auch der zulässigen Frage: Kalkül? Gut, Houllebecq ruderte, zog sich zurück.
Aber wie auch immer: der Roman blieb. Und er wurde ein Bestseller. Umstritten, verteufelt und verflucht.
Man stelle sich vor, Frankreich wird ein islamischer Staat. Langsam, stetig verändert sich die Gesellschaft, verändern sich die Einzelnen. Mittendrin der Unidozent François. Weiberheld, irgendwie, ausgewiesener Huysmans Experte seine Bücher spielen dann auch im Roman eine wichtige Rolle, wird bei guter Bezahlung entlassen. Genießt seine Freiheit, ist nicht sonderlich politisch. Betrachtet zunächst skeptisch die gesellschaftliche Entwicklung. Kommt zunächst nicht damit klar, dass seine Freundin nach Israel geht. Aus und vorbei, keinen Sex mehr. Aber zunehmend arrangiert er sich mit der Situation. Kehrt zurück in den Unibetrieb und, ja, der Islam erlaubt ja unproblematisch mehrere Frauen.....
Ist das eigentlich das Skandalbuch? Muss man sich darüber, vielleicht reflexartig, aufregen?
Nein, dieses Buch ist konsequent. Es zeigt nicht die Stärken des Islams, sondern die Schwächen der westlichen Gesellschaften. Es entlarvt. Die Dekadenz des Westen kann nun nicht mehr auf die clevere, smarte Übernahme des Ben Abbes, dem politischen Anführer, reagieren. Links\rechts funktioniert nicht mehr. Die politischen Strukturen gehen einfach so dahin. Und darin liegt die Stärke dieses Romans, aus meiner Sicht prügelt er nicht auf den Islam ein, sondern zeigt die Schwächen unserer satten, um sich selbstdrehenden Gesellschaften.
Was bleibt? Es bleibt Michel Houllebecq, der Literat, wenn er schreibt:"..., Lesen sei das Letzte, was den Menschen in ihrer Hoffnungslosigkeit blieb". (S.36

Sonntag, 15. Januar 2017

Ferdinand Bordewijk, Charakter

Es ist erkennbar, ein gewisser Hang zur Literatur unseres kleinen Nachbarlandes, den Niederlanden, besteht. Dieser umfasst zunächst einmal den Bereich der jüngeren, neueren Literatur.
Umso erfreuter war ich, als mir dieses Buch in die Hände fiel.
Ferdinand Bordewijk gehört, so die wikipedia, mit seinem Werk zur sogenannten "neuen Sachlichkeit" und gilt als einer der wichtigsten Schriftsteller der modernen niederländischen Literatur. Soweit feststellbar, sind nur wenige Bücher ins Deutsche übersetzt worden. "Charakter" liegt in einer Übersetzung von Marlene Müller-Haas im dtv Verlag vor.
Ein gar seltsames, aber auch mitreissendes Buch. Eine Geschichte von Vater und Sohn, zeitlich angelegt im Rotterdam der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts.
Eine Geschichte von Elend, Auflehnung und gesellschaftlichen Schranken. Erzählt wird die Geschichte des Jacob Katadreuffe, eines uneheliche geborenen Jungen. Er wächst, bei seiner Mutter lebenden, die sich immer weigerte den Erzeuger des Jungen zu heiraten, in Not und täglichen Kampf auf. Sein Vater ist der mächtige Gerichtsvollzieher A. B. Dreverhaven. Ein Vater, der ihn täglich bis ins Erwachsenenalter verfolgt, drangsaliert. So hat es immer den Eindruck. Katadreuffe, nach einigen Wirrungen in einem Rechtsanwaltsbüro gelandet, studiert Jura und schafft es, sich aus den Fesseln seines Vaters zu befreien.
Eigentlich eine rührselige, vielleicht auch platte Geschichte, so könnte man meinen. Könnte man. Ist sie aber nicht. Es herrscht eine eigentümliche, berührende Atmosphäre. Zugegeben, ich schwankte zwischen Mitleid und Ablehnung, was die Charaktere angeht. Ja, Dreverhaven ist ein Drecksack, korrupt und eiskalt. Muß er auch sein im Job eines Gerichtsvollziehers. Andererseits ist ist er auch seltsam undurchschaubar im Verhältnis zu seinem Sohn. Bemüht, hinterhältig völlig ambivalent.
Und Katadreuffe? Er schafft es aus den einfachen Verhältnissen an die Spitze der Kanzlei. Also auch ein bisschen der Traum vom besseren Leben.
Und so bleibt die Erinnerung an ein besonders  Buch. Gerade auch, wenn man die sprachliche Seite betrachtet. Schlicht, sachlich, aufgeräumt, so könnte man sie  bezeichnen. Gerade das macht den Reiz dieses "Klassikers" aus. Trotz der Thematik, auch heute noch absolut lesenswert und sicherlich dann, wenn man sich mit niederländischer Literatur beschäftigen will.

Sonntag, 7. August 2016

Hier und anderswo

In der letzten Zeit war hier ein wenig der Stillstand eingekehrt. Das wird sich ändern.
Hier wieder Hinweise auf Veröffentlichungen woanders:

http://www.booknerds.de/2015/12/harry-crews-florida-forever-buch/

http://www.booknerds.de/2016/05/alberto-asor-rosa-alessandro-und-assunta-buch/

Immer langsam!

Ich bin immer wieder, trotz eines fast biblischen Alters, überrascht, was doch das Internet immer wieder für Stilblüten, gewollt oder ungewollt, hervorbringt.
Bis vor einiger Zeit hatte ich noch ein gewisses Interesse an Foren. Tipps und der ein oder andere Hinweis auf literarisch unbekanntes waren durchaus dabei. Allerdings muss man sich dann doch über die dort auftauchenden Diskutanten wundern.
Es nahm seinen Anlauf mit der Frage nach der LgB. Ja, Internetsprek. Der "literaturaffine" Leser und Bildungsbürger "par excellence" wird natürlich sofort erkannt haben, es handelt sich um die "Liste gelesener Bücher".
Diese Liste wollte der eine Diskutant von dem anderen haben. Worauf dieser antwortete, eine solche Liste habe er nicht, gäbe auch keinen Sinn schließlich sei er "Hochfrequenz-Leser".
Holla! Höher, schneller, weiter jetzt auch in der Leselandschaft? Was stand eigentlich in diesem Buch? Egal, Hauptsache auf der Liste. Diesen Monat nur 386 1/2 Seiten geschafft, das muss besser werden!
Lesen als Hochleistungssport, Jagd nach Rekorden? Ist eigentlich Literatur nicht genau das Gegenteil davon? Ist sie nicht die Anstiftung zur Endschleunigung? Zur Selbstbesinnung?
Alleine mit einem Buch, mit den niedergelegten Gedanken des Autors? Warum dann Beschleunigung? Warum die Hatz nach immer neuem?
Das ergibt keinen Sinn. Lesen ist Zeit, Wertschätzung des Autors und auch Reflektion (im optimalen Fall) seiner selbst.
Oder schlingt man ein gutes, mit Liebe zubereitetes Essen auch herunter, nur auf der Jagd nach dem nächsten? Ich nicht! Ich geniesse den Augenblick, mache Pause und geben dem Buch was es braucht, nämlich genau das: Wertschätzung, Zeit und nachhaltige Aufmerksamkeit!


Sonntag, 15. November 2015

Die Schutzbefohlenen

Die Flüchtlingswelle ist sicherlich das bestimmende Thema in 2015.

Dazu hat das Theater Oberhausen mit dem Jelinek Stück "Die Schutzbefohlenen" einen eindrucksvolle Beitrag geleistet. Auch einmal davon abgesehen, daß ich Elfriede Jelinek einen derartigen Text, der wohl auch schon älter ist, nicht zugetraut hätte. Das ganze Dilemma wird in diesem Stück sichtbar, vor allem diese absolute Sprachlosigkeit (ja, auch wenn es ein Theaterstück ist!)
Und so bleibt von diesem Stück, unter vielem, unbedingt der letzte Satz übrig; hier sinngemäß zitiert:


                                          Sie sind angekommen, aber sie sind nicht da!